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Stephanskirche in Bickenbach

Der erste schriftliche Hinweis auf die Bickenbacher Kirche stammt aus dem Jahre 1130. Da das Kirchspiel zu damaliger Zeit sehr groß war, wird angenommen, dass die Kirchgründung schon weit vorher in vorkarolingischer Zeit liegt. Dafür spricht auch die Bedeutung des Adelsgeschlechts, nach dem Bickenbach benannt ist. Nach einer Urkunde von 1434 war die Kirche dem heiligen Stepahn geweiht.

Von der frühen Kirche ist nur bekannt, dass sie kleiner war als heute und die Glocken weithin berühmt waren. Sie wurde 1622 im 30-jährigen Krieg zerstört. Mit dem Wiederaufbau wurde schon 1623 begonnen. Da aber sowohl der Landgraf von Hessen wie auch der Graf von Erbach wegen leerer Kassen die nötigen Gelder nicht aufbrachten und versuchten, sich der Verantwortung zu entziehen, konnte in den nächsten 3 Jahren die Kirche nur im Rohbau wiederhergestellt werden. Der Innenausbau wurde im Laufe der nächsten Jahrzehnte nur mit wenig effektiven Einzelmaßnahmen vorgenommen. Der bedauernswerte Zustand der Kirche hielt fast zwei Jahrhunderte an und wurde durch große Sturmschäden 1720 wesentlich verschlimmert. Diese wurden zwar repariert, aber der schlechte Gesamtzustand der Kirche blieb.

Endlich wurde im Frühjahr 1808 der Kirchenbau in Angriff genommen. Außer dem Turm und der Giebelwand wurde alles abgerissen und eine neue größere Kirche gebaut, die ein Jahr später eingeweiht werden konnte. Von der Inneneinrichtung wurden nur die Orgel und das Kruzifix mit den Bildern von Maria und Johannes übernommen. Wegen strittiger Zuständigkeiten schleppt sich der Innenausbau auch diesmal hin und notwendige Maßnahmen werden nicht oder mit schlechtem Material durchgeführt. Die gründliche Instandsetzung erfolgt im Jahr 1892.

1904 wurde der ständige Streit um die Bau- und Unterhaltspflicht eindeutig gelöst. Der Staat zahlte der Kirchengemeinde eine Abfindung von 15.000 Reichsmark und das Kirchengebäude ging zusammen mit der Unterhaltspflicht in ihren Besitz über.

1966/67 wurde die Außenrenovierung und 1978 die Innenrenovierung durch die Kirchengemeinde durchgeführt. Dabei wurde das Dach mit alten Handstrichziegeln neu gedeckt. Und das Gerüst auch für einen neuen Außenanstrich, Arbeiten am Außenfundament und der Kirchturmuhr mitbenutzt. Mit der Innenrenovierung erhielt die Kirche das Aussehen, wie wir es heute kennen. Der Fußboden wurde um ca. 30 cm tiefer ausgehoben und ein neuer Betonfußboden und eine Fußbodenheizung eingebaut. Der Chorraum blieb um eine Stufe erhöht. Die Bänke rund um den Chor wurden durch Stühle ersetzt, um eine flexiblere Gestaltung zu bieten. Des Weiteren wurde der Windfang am Seiteneingang und eine neue Orgel eingebaut und umfangreiche Malerarbeiten durchgeführt.

Erneut wurde im Frühjahr 2005 die Sanierung des Kirchendachs in Angriff genommen. Undichtigkeiten im Dach und bereits sichtbare Folgeschäden im Kircheninnenraum machten die Sanierung notwendig. Diesmal wurden neue, qualitativ höherwertigere Biberschwanzziegel gewählt. Neben der Neueindeckung des Kirchendachs war die Überprüfung und Reparatur der Dachkonstruktion eine wichtige Maßnahme. Ebenfalls wurde zur nachhaltigen Verbesserung der Bausubstanz eine Wärmedämmung über der Decke des Kirchenraums eingebracht.

2007 wurde der Kirchraum komplett renoviert. Nicht nur die Wände erhielten einen neuen Anstrich, auch die Empore und die Orgel wurden mit Farbe und Blattgold verziert. Moderne Leuchten mit einer digitalen Lichtsteueranlage lassen den Raum im strahlendem Licht oder aber auch im gedämpften Glanz erscheinen. Eine Funk-Mikrofon-Anlage bietet heute viele Möglichkeiten. Mit Headsets und Ansteckmikros ausgestattet haben schon viele kleine und große Künstler die Besucher der Konzerte und Musicals erfreut.

Ute Dumman-Haag / Roderic Bechert

Experten bestimmen das Fälldatum der Bäume für den Turm des Bickenbacher Gotteshauses

Von Claudia Stehle

BICKENBACH - Das Dachwerk der Bickenbacher Stephanskirche ist eines der wenigen Zeugnisse kirchlicher Bautätigkeit in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs zwischen 1618 und 1648. Dies wurde vor Kurzem durch eine dendrochronologische Untersuchung im Rahmen der Erfassung historischer Holzkonstruktionen von Kirchen und Betsälen im Bereich der EKHN festgestellt.

Diesen Befund machte jetzt Andreas Fetzer vom Kirchengemeindevorstand öffentlich. „Untersucht wurden dabei durch ein Fachlabor im Auftrag des Baugutachters Hans-Hermann Reck (Wiesbaden) Bohrkerne von Hölzern, die dem originalen Abbund des Dachwerks zugehören“, sagt Fetzer. Bei zwei Proben handle es sich nachweislich um Tannenholz, die dritte Probe stamme dagegen von einer Fichte.

Von den zwei Tannenholzproben konnte eine sicher datiert werden. Beide Tannen sind zwischen 1576 bzw. 1558 bis in den Winter 1628/29 gewachsen, eine der Tannen wurde in diesem Winter gefällt, für die andere wird ebenfalls die Fällung, wenn auch mit Vorbehalt, auf diesen Winter datiert. Die Probe aus dem Fichtenbalken konnte nicht datiert werden.

„Das Ergebnis reicht aber den Experten aus, um die Entstehung des Turmdachs unserer Kirche auf die Zeit nach 1622 zuzuordnen“, sagt Fetzer. Das Holz ist offenbar nicht vor dem Einbau in den Kirchturm geflößt worden, da dafür jegliche Spuren fehlen, daher könne man annehmen, dass es aus der Region stamme. Diese Ergebnisse stehen in einem gewissen Widerspruch zur bisherigen Chronologie der Stephanskirche, wie Fetzer weiter berichtet. So wurde beim Bau der heutigen Kirche 1808/09 der vorhandene Westturm der Vorgängerkirche aus dem Ende des 15. Jahrhunderts beibehalten, dessen untere Geschosse spätgotische Formen aufweisen, während die oberen Geschosse einer späteren Bauzeit nach der Gotik zugeordnet werden.

Im Dreißigjährigen Krieg wurden in Bickenbach beim Rückzug der Mansfeldischen Truppen am Himmelfahrtstag 1622 sowohl die Kirche und das Pfarrhaus als auch an die 20 Wohngebäude in Brand gesteckt, vermutlich durch kroatische Truppen des katholischen Feldherrn Tilly. Dabei blieben die Außenmauern des Turms erhalten, sein Dach und der Glockenstuhl verbrannten jedoch, wie es zur Baugeschichte in der Dorfchronik „Bickenbach uffm Sand“ zu lesen ist. Schon im Folgejahr begannen die Bickenbacher mit dem Aufbau ihrer Kirche, der sich wegen fehlender finanzieller Unterstützung durch den durch die Kriegsfolgen geschädigten Landgrafen als Landesherrn hinzog.

Im Baubuch des Wilhelm Diehl wird zwar davon berichtet, dass die Kirche 1625 im Rohbau fertig- und der Turm wieder hergestellt worden sei. Diesen Angaben widersprechen nun aber die Ergebnisse der in diesem Sommer vorgenommenen Untersuchung der Turmhölzer, die für einen späteren Zeitpunkt um 1629 für die Herstellung des Turms und die Aufrichtung seines sehr steilen achtseitigen Zeltdachs sprechen. „Man sollte in diesem Zusammenhang einmal untersuchen, welchen Einfluss der damalige Bickenbacher Schultheiß Hans Quick, der zwischen 1627 und 1632 dieses Amt innehatte, möglicherweise auf den Bau der Kirche genommen hat“, regt Andreas Fetzer an und verweist auf Spenden wie Glocke und Kanzel, die Quick dieser Kirche zukommen ließ.

 

DER WOHLTÄTER

Der Bickenbacher Schultheiß Hans Quick war ein echter Wohltäter seiner Gemeinde. Nicht nur, dass er der Kirche eine Glocke und eine Kanzel gespendet hatte, sondern er übergab ihr in seinem Todesjahr zwei Kannen für die Kommunion und hinterließ testamentarisch eine Stiftung für die Bickenbacher Schule und die Armen in der Gemeinde.

Diese Stiftung überdauerte die Jahrhunderte. Erst die Geldentwertung nach dem Zweiten Weltkrieg führte 1962 zu ihrer Auflösung. An Hans Quick erinnert heute noch die Bickenbacher Grundschule, die nach ihm benannt ist. (steh)

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